wohin geht die Reise der N8...

Donnerstag, der 5. Dezember 2013, frühmorgens um 8 Uhr. Bei Detlef Stoller und Ursula Eggert in Bürrig klingelt das Telefon. Am anderen Ende der Leitung: Dr. Rainer Welte, Besitzer der N8 und der Mensch, der sich nun schon gut Eineinhalb Jahre vergeblich darum bemüht, die N8 auf dem freien Immobilienmarkt zu verkaufen. Er fragt nur den einen Satz: "Gilt dein Angebot vom Sommer noch?"

 

Verrückt! Zwei Wochen später, am Donnerstag, den 19. Dezember 2013 sitzen wir in Wiesdorf beim Notar und kaufen den Weltes die N8 ab.

 

Einen Tag später ruft der Leverkusener Stadt-Anzeiger an und möchte eine Meldung über den Immobilientransfer bringen. Seinen Informanten verrät der Redakteur mir nicht. Nach einem ausführlichen Telefonat versteht der Redakteur dann aber, dass diese Geschichte viel zu gut für eine Meldung ist. Wir verabreden uns für den Samstag, den 21. Dezember 2013  zum Fototermin vor dem Haus.

 

Am Montag, den 23. Dezember 2013 titelte der Leverkusener Stadt-Anzeiger: "Vom Besetzer zum Besitzer". Hier ist die Geschichte:

 

Vom Besetzer zum Besitzer

Erstellt 22.12.2013

Vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer: Detlef Stoller hat das Haus Niederfeldstraße 8 gekauft. Foto: RALF KRIEGER

Detlef Stoller hat das Haus an der Niederfeldstraße 8 in Leverkusen gekauft. 1981 gehörte er zu den ersten Besetzern des Hauses. 18 Monate lebte er dort ohne Strom und Wasser. Jetzt vermietet er das Gebäude.  Von Ralf Krieger

 

Die Geschichte geht normalerweise so: Vom Tellerwäscher zum Millionär. Genauso schön aber klingt: Hausbesetzer kauft besetztes Haus. Genau das ist in Wiesdorf jetzt geschehen. Detlef Stoller, Besetzer der ersten Stunde, hat das ehemals durch ihn besetzte Haus Niederfeldstraße 8, kurz „N8“ zum zweiten Mal in seinem Leben übernommen. Diesmal aber mit Kaufvertrag.

 

Mehrere Häuser an der Niederfeldstraße stehen seit sechs Jahren leer. Es gibt den vagen Plan, dass die Autobahn 59 durch den Westen Wiesdorfs verlängert werden könnte. Nicht nur gegen das Straßenbauprojekt richtet sich der Protest einer größeren Gruppe Leverkusener Jugendlicher. Auch die Verschwendung und die drohende Vernichtung von Wohnraum stört die alternative Szene. Der Straßenbau drohte den Häusern gefährlich zu werden. Aber auch der damals in der Szene ungeliebte Bayer hat schon eine ganze Häuserzeile an der Hauptstraße gekauft und niedergelegt. Zu der Zeit hat die Niederfeldstraße den zweifelhaften Charme einer aufgegebenen Gegend. Als Bayer am 27. April 1981 erneut ein Haus in der Niederfeldstraße einreißen lässt und die Leverkusener Polizei eine Blockade der Baustelle mit harter Gewalt auflöst, ist das Maß offenbar voll. In der folgenden Nacht führen die „Alternativen“ endlich einen Angriff durch, über den sie schon länger diskutiert hatten: Das Haus Niederfeldstraße 8 – es gehörte dem Landschaftsverband Rheinland – wird in der stillen Frühlingsnacht um 23 Uhr von 80 Leuten über ein Fenster geentert. Das geschieht in unmittelbarer Nachbarschaft zu Tor 8 des Bayerwerks und unbehelligt von der Polizei. Mit dabei: Der 20-jährige Leverkusener Detlef Stoller. Die damals üblichen Banner mit Aufschriften wie „Dampf im Häuserkampf“ und „Allein machen sie Dich ein“ werden an der Fassade befestigt.

 

18 Monate leben Stoller und die erste Wohngemeinschaftsgeneration in dem dreigeschossigen Mehrfamilienhaus ohne Strom und Wasser. Dann erst ergibt sich die Chance auf einen Mietvertrag mit der Bundesvermögensgesellschaft, die das Haus inzwischen übernommen hat. Die Verlängerung der Autobahn war schon damals unwahrscheinlich, ein Plan, der schließlich nie verwirklicht wurde. Einen polizeilichen Räumungsversuch, wie bei anderen Hausbesetzungen, hat es in Leverkusen trotz Ankündigung während der turbulenten 18 Monate nicht gegeben. Einige Jahre später kauft Rainer Welte das Haus. Er ist ein politischer Pionier: als Mitglied der Fraktion Alternative Grüne Liste (AGL) zog er bei der Kommunalwahl 1979 in Leverkusen als einer der ersten Grünen überhaupt in ein Parlament ein, vor der Bundesweiten Parteigründung. Stoller bleibt zwölf Jahre in der N8.

Die Wiesdorfer Hausnummer N8

Als erstes Haus in der Umgebung hatte der neue Besitzer und seine Mieter die Fassade in frischem Blau gestrichen. Das unheimliche, besetzte Haus Niederfeldstraße 8, deren Mieter oft von Wiesdorfer Ureinwohnern angefeindet wurden, hatte sich zur freundlichsten Fassade im schmutzigen Chemie-Randgebiet gemausert. Was seitdem immer geblieben ist, war eine Wohngemeinschaft mit Vertrag. Die augenscheinlich meist unangepassten „alternativen“ jungen Bewohner kamen und gingen, so ist es bis heute. Nicht zu zählen sind die, die in der N8 gelebt, musiziert, getrunken, gefeiert und geliebt haben.

1981 – Das Haus war besetzt

Samstagmitag im Deuember 2013. Detlef Stoller steht auf der Niederfeldstraße, er ist mit dem Rad aus Bürrig gekommen. Die langen Haare sind inzwischen grau. Den Stolz, dass seine Frau und er durch den Kauf für den Bestand des zweifellos renovierungsbedürftigen, aber stadtgeschichtlich wichtigen Wohngemeinschaftshauses einstehen, sieht man seinem strahlenden Gesicht an. Stoller freut sich: „Das Beste ist: Die Wohngemeinschaft kann bleiben“. Die sieben Bewohner, meist sind es Studenten, zahlen zwischen 100 und 200 Euro Miete im Monat. Zieht jemand aus, dann sucht die Gemeinschaft selbst einen Nachmieter. Für die Bewohner ist der Kauf durch Stoller ein schönes Weihnachtsgeschenk. Seit 2012 sollte das Haus verkauft werden (wir berichteten) und beim Gedanken, an einen anonymen Investor zu geraten, war den Studenten nicht wohl. Stoller ist mit seiner Investition zufrieden, auch wenn er noch einiges renovieren muss: „Meine jährliche Rendite liegt bei ungefähr 10 Prozent“. Der Wechsel vom Hausbesetzer zum Hausbesitzer macht ihm keine Probleme. Stoller hebt den Zeigefinger in die zugige Wiesdorfer Luft: „Man muss im Wort Hausbesetzer nur einen einzigen Buchstaben ändern.“

 

So ist es: "Man muss im Wort Hausbesetzer nur einen einzigen Buchstaben ändern." Schon ist man Hausbesitzer. Und der sollte sich um seine Hütte kümmern, sonst verkümmert seine Haus. Deshalb ist seit diesem Zeitungsartikel vom 23. Dezember 2013 eine ganze Menge passiert. Wir haben das Dach komplett neu eingedeckt, wir haben die olle Therme gegen eine moderne Brennwert-Therme ausgetauscht. Wir haben die Fassade an der Hausrückseite von den ganzen Efeuresten befreit und angestrichen. Und: Wir haben am ersten Wochenende im Mai 2014 ein gigantisches Fassaden-Happening gemacht und der N8 ihre schöne Jugendstilfassade zurück gegeben. Schaut mal rein:

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